DIE SICHEL Und lag schon, da der Alte sich kaum be-
wegte, wieder unten im Grase, die nackten
z W EI TER Füke im warmen Wasser des Sees.
JAHRGANG
„Woher ich komme -," überraschłe ihn des
Allen Stimme.
„Von der Madonna, natürlich! Es ist hübsch
dort oben, wie?"
„Woher ich komme, wohin ich gehe:Mensch!
für dich, für dich, für alle, ja, auch für deine
bräunlichen Glieder, auch für deine siebzehn
Jahre walle ich zu Gott!“
Die großen schwarzen Augen des faulen
Anselmo belagerten seine Rede, zuckten
aber, fuhr er fort, vor ihrem Strahl zusammen.
„Ich bettle vom Sande den Pfad, vom Quell
die Labung, vom Abend den Wind, vom Mit-
tag den Schatten der Pinie, von der Nacht
das Nichtwissen, von den alten Beerenwei-
bern am Wege den Segen und von Kindern,
MONATSCHRIFT
FÜR
NEUE DICHTUNG
UND GRAFIK
SEPTEMBER 1920
OTTO ZAREK:
EINE GESTE DEŞ MENSCHEN
Anselmo Barbazza, der Kerl, räkelte sich
und wuchs über die Wiesenlänge hinaus.
Streifte das Geäst herabwallender Oliven-
bäume, und stach sich. Als er, den schmut- denen ich gemalte Heilige schenke, einen
zigen Finger im Munde, sich das funkelnde freundlichen Blick; idch bettle vom Heiligen
Blut schmecken ließ, dann aber, denn es quoll Wasser in den marmornen Becken der Kir-
zu reichlich, es doch in das Blütenmeer des
Frühlings spuckte: rührte ihn,
der leise Finger eines Alten. Barbazza be- würfelt ein Mosaik aus Güte! Güte und Güte!
grif
ihm die Abendsonne. Der Saumpfad, der zu
seinen Füßen im bunten Geflecht der Blumen
versickerte, einige Schritte weiter dann im
tiefblauen See ertrank, hatte den Eifrigen
von der steil aufragenden Kapelle der Ma-
donna di Campagna auf den Weg geführt,
der, die ganze Flut abendlichen Lichtes im
Gesicht, zur einsamen, heimlichen Madonna ein Irgendwoher auffahrend, ein Irgendwohin
del Remedio schlenkert. In Suma, den nörd-
lichsten Häusern des einzigen Palanza, milde
getragen im Schatten des breiten Viali Prin-
cipe Umberto auf Teppichen wilder Pflanzen, oberhalb des Knies, zeigte er das zerfressene
im Flüstern der leichten Wellen, würde der
Pilger sein Zimmer suchen, wie es täglich
geschah, im Mai, wenn die glühende Sonne
noch nicht den Aufstieg zu den zahlreichen
Kapellen im Schoße des Tessins unerträglich
macht.
„Folgt mir nur," sagte Anselmo, erhob sich Hut - -!"
langsam und dachte an die feurige Geromina,
die ihm, brachte er ihrem unbestimmten Wirts-
hause einen Gast, den Chianti und, vielleicht, Kraft seiner Brust befühlt. - „Gibl"
auch ihr Bett nicht verwehrte. Er griff nach
dem Korb mit den Früchten, dem Backwerk
und dem leichten Most, gab aber dem Frem- beängstigenden Sagen, warf er der schönen
den nicht einen Blick des finsteren Gesichts, Augen tiefes Erschauen auf den Mann. At-
sondern warf den geschmeidigen Körper zum
Strand hinab.
„Folgt mir nur; Ihr werdet gut einkehren!"
chen die Reinheit und von den Ruderknechten
am Strande die kurze Fahrt. Mein Weg: ge-
oben her,
der Mantel
nes Pilgers verdunkelte Weg: Dafür schreit
ihn hin
zu Gott!
Was gibst du mir, Anselmo Barbazza?!!"
„Du kennst mich?" war alles, was der
Bursche, der Anselmo, begriff und stotterte;
so mit ungelenkem Atemholen, wie Menschen
tun, die wenig reden.
„Du - kennst mich? Ja, woher?" war alles.
- Der Pilger, bereits neben ihm aufgedroht,
weisend: lächelte wieder.
Anselmo Barbazza, bist du arm?"
Der nahm das Bein aus dem Wasser und,
Tuch der Hose.
„Du bist nicht arm," sagte der Fremde.
„Ich rudere täglich - -" bockte Barbazza.
„Nicht arm!“
- - fäglich, zu den Inseln Borromeo, und
die Deutschen werfen nur Nickel in meinen
„Du bist nicht arm," antwortele es ihm; und
jemand hatte in seinem offenen Hemd die
Erst erschrak er; dann, plötzlich, überfallen
von alten Geschichten, beengenden Märchen,
mete die Pilgrimschaft des weißen Bartes,
betastete die kantigen, schartigen Wetterrisse
des steinernen Gesichtes; erforschte der sehr