Er naht fürchterlich!
Wie eine schwere Granate saust er heran.
Sie wird in Kloaken zerspringen und ich
ducke mich,
Ih möchte mich verklüften in Deine Achsel-
höhlen.
DIE SICHEL
z WEITER
JA HR GAN G
MONATSCHRIFT
FÜR
Und nun ist er da: Jede Sekunde,
jede bewu ßte Sekunde teilt mein
Leben in Ungeheur es: was war
und was wird!
Denke nach und es ist ung eheuer!
Willst Du wehren, wenn ich nun zu Dir
flüchte?
Du bist meinen Gedanken ausgeliefert.
Du!
Wissen die Bräute von den Gedanken ihrer
Geliebten zur Nacht? Idch habe Dich immer
vor meinen Gedanken behütet.
letzt bin ich bei Dir!
Deiner Kammer.
Inmitten stehen wir.
Dein Bett scheint fern wie Birken im Laub-
holz.
Ich entkleide Dich!
Deine Achseln runden schmeichelnde Kin-
derunschuld. Aber Deine Rückengrube führt
in die wahnwitzigen Ahnungen der Frau.
Denke nicht, ich ließe es jetzt genug sein.
Unter Deinen geschlossenen Augen der Mund
NEUE DICHTUNG
UND GRAFIK
DEZEMBER 1920
WILLI REINDL:
DER
BRIEF DES SCHWACHEN
GELIEBTEN
Geliebte!
Ein kalter Wind kommt vom Norden der
Nacht, fällt ein und rührt an meine Stirn.
Da spaltet der Kreisschlag mitternächtiger
Uhren die Nacht.
Ih sehe die zwei Hälften von mir wegfallen
wie ein zerbrochenes Haus. Ich erkenne be-
troffen, daß ich in diesem Hause gewohnt.
Es zerbricht und ich stehe zwischen den
Zeiten. Und ich verklüfte mich vor Angst.
Ih weiß, dak jetzt ein Gedanke zu mir
kommt.
Der kalte Schweiß meiner Stirn deutet ihn biegt sich schmerzlich.
an: ein Gefäß bin ich bereits der Angst und
dieses ungreifbaren Gedankens.
Es wird ein Gedanke der Vernichlung sein,
in dessen Ahnung meine Haut zitternd springł.
Meine Stirn liegt auf der Fensterbank. In
der Gasse schwimmt der Mond auf der
Kloake der Finsternis.
auf meinem Rücken kriechen Insekten,
Ich flüchte mich!
Da ich Dich erstmals sah, erschütterte mich
Dein Anblick. Strahlen brachen aus dem
Umkreis, Sonnen taumelten.
Ich habe Hirsche schreien hören. Aber der
Schrei meiner Kraff war größer, tiefer. Jede
Ader röhrte mit,
Ich schwankte nicht im Glanz, Der Umkreis
zerbrach in Strahlen und ich stand.
Nun zerfällt mir die Zeit.
Ich sehe die zwei Hälflen von mir weg-
stürzen endlos!
Ich greife nach beiden und stehe gekreuzigt
hineingespannt.
Ih stehe zwischen den Zeiten: dem, was
war und was wird!
Und jetzt kommt der Gedanke!
Ich bilde mir ein, unter Deiner linken Brust,
gerade über dem Herzen blühe ein braunes
Mal. Es ist klein und nur da, daß Du sonst
ganz weik seiest und mahnt. Es hütet mich,
Dich zu beflecken.
Du hebst im Jlammer die Arme aufwärts und
Deine Brüste springen wie flüchtende Engel
aus dem Kleid. Ich aber möchte mich in
Deine Achselhöhlen verklüften.
Geruch weht an und
Denn Dein ganzer Oberkörper ist nun bloß.
Er lebt aus gerafften Stoffen wie ein Torso
aus Unfertigem. Ein Beglücken blüht gren-
zenlos, das ich fürchte und Farben von Blu-
men, Stoffen, Teppichen verbrennen wesenlos
in der zitternden Kerzenflamme Deines Leibes.
Alles, was weiß ist, schämt sich und eilf
bebenden Schatten zu.
Aber der Beginn Deiner Hüften ist un-
bezwingbarer Drang nach abwärts. Meine
schwersten Sehnsüchte hängen ihre Gewichte
daran. O wie sehr sehe ich, daß Dein Frauen-
leib geworden ist, aus Hüllen zu steigen, und
Hüllen an ihm zu sinkender Asche zu ver-
brennen.
Und ich fegle kniend meine Hände hinter