„Dieser Regen – dieser Regen - -"
Aber Sie müssen ihn hören, das tripp-Irapp
aus den Rinnen und von den Dächern Tröp-
DIE SICHEL
z WEI TER
JA HRGANG feln, wochenlang müssen Sie ihm zugehört
haben, um den Blick des Mannes zu be-
greifen, mit dem er sich wieder umwendet
und auf den Leib sieht, der sich ihm immer
noch darbietet, faul und träge und in einer
wollüstigen Apathie und blinkend wie eine
Regenlache oder ein nasses Schieferdach,
und werden es dann auch verstehen, daß er,
wie man so sagt, ohne die Treue gebrochen
zu haben, in die bequemeren Arme seiner
Frau zurückkehrte.
MONATSCHRIFT
FÜR
NEUE DICHTUNG
UND GRAFIK
AUGUST 1920
GUSTAV SACK t: IM REGEN
Das ist gewik eine affektiert andeutende
Und damals, in dem langen Regen, geschah
eine andere Geschichte, Sie wissen, wie das und graziöse Art, eine lange Geschichle zu
unsere Glieder hohl und bleiern macht, und erzählen; aber wie könnte man eine Ge-
uns am Ende einsargen will, wenn wochen- schichte, die kurz erzählt werden muk und die
lang die Kastanienblätter ihre Finger hängen locken will, so erzählen, daß sie nicht den
lassen, und es in einem ewigen Getröpfel bis
tief nach Mitternacht von den Dächern tropft; man sie leizten Grundes ja überhaupt er-
kurz vor Sonnenaufgang geschieht dann eine zählf?
Pause im Regen, er kann nicht mehr und die
Drosseln mögen eine Weile flöten, aber wenn
der erste
wieder los und die Tauben und Spatzen
ziehen die Köpfe ein. In den ersten Tagen
ballt man die Hände, dann läßt man es ge-
schehen und läßt sich treiben, frostlos, mut-
los, ganz willenlos, und vergikt über dem
endlosen Getröpfel, daß über der weißgrauen
Decke eigentlich ein blauer Himmel hängt.
Und nun werden Sie meine Geschichte ver-
stehen,
Als er sie endlich durch seine Gleichgültig-
keit dahin gebracht hatte, dak sie ihn zu sich
bestellte - nachmittags um drei, wenn mein
Mann zum Café ist - hatte man sich schon
mit diesem Regen abgefunden; aber trotz-
dem - Sie verstehen nun dieses trotzdem -
ging er zu ihr und fand sie auf ihrem Divan
liegend, dreißigjährig und in einer trägen
Nacktheit
Anstrich des Koketten bekäme, wegen dessen
GUSTAV SACK t:
gekommen ist, gießt er
A
P
FE
Diesmal sollst du noch entrinnen,
heil aus meinen Händen schlüpfen,
morgen werd' ich dich einspinnen,
dich an meine Feder kniüpfen,
nackt auf meine Feder spießen
werde ich dein kleines Herz,
Licht soll von ihm niederfließen
strömend ewig tiefenwärts,
schüren wirst du ihre Glut,
dak du meine Fackel wirst,
bis in unsrer Feuerflut
Feder sowie Herz zerbirst.
GUSTAV SACK t:
DER
FEDE RKIEL
wozu auch die Präliminarien!
sie hälten heute alles vereitelt.
„Aber dieser Geruch! Ich fuhr bis an Ihre
Tür, aber dieser Geruch, er liegt in der Luft,
dieser Geruch! faul, stickend, dieser entsetz-
liche Regengeruch!"
Dann küßle er sie, flüchtig, irgendwohin auf
ihren Leib, den sie ihm träge und in einer
wollüstigen Apathie darbot.
Dann zog er seinen Rock aus, hängte ihn
bedachtsam über einen Stuhl und stapfle,
richtig stapfte, ans Fenster und sah hinaus -:
Gleich einem umgestülpten Glas,
das von der Lerchen Liederschlag
in endlosem Vibrieren tönt,
hängt nun der Himmel jeden Tag
über dem srotzend fetten Gras.
Doch mir ward diese blaue Welt
feindlich zu einem Satyrspiel,
das meiner Nöte lächelnd höhnt
leich einem Federkiel
in seinen losen Händen hält.
mic