DIE SICHEL Hörup Kerk wohnt? ... oder ob sie nach
Sonderburg gezogen... oder ob sie ge-
z WEITER storben ist...?
JAHRG ANG
Karin ist nun schon
zwei Monate auf der Reichenau. In Aalborg
hatte Hoboken noch eine Faust in der Tasche
gehabt gegen den „Andern", als er sie „den-
noch" liebte, obgleich er nun wukte, daß er
nicht mehr der „Erste“ war. Schließlich nach
zehn Jahren hatten sie sich doch noch gehei-
ratet. Aber danach hatte das Band nur noch
einen Monat gehalien. - Karin war nun
schon zwei Monate von ihm fort, drüben auf
Sich verkuppeln und in
Lust aufgleißen, bis man entfäuscht ausein-
MONATSCHRIFT
FÜR
NEUE DICHTUNG
UND GRAFIK
OKTOBER 1920
DIETRICH:
der Reichenau. -
HOBOKENGEHT N OCH IM NEBEL anderfällt, Am Morgen bleibt doch immer nur
„Als Gott den Menschen schuf, bildete er
aus einem Erdkloß einen Leib. Und Golt
nannle ihn Adam, das heißt: „Mann aus Erde'. nermädchens draußen über das Pflaster des
Hoboken hockte in der Dunkelheit, in die Hofes und ein geiles Gekicher zerteilte seine
sich der erste blasse Strahl eines feuchten Gedanken. Er fand nicht mehr, wo er zuletzt
Märzmorgens schlich. An den Wänden tau-
melte das Graue, daß die Gegenstände wie
Schaltenrisse davor aufstanden. Draußen die
„Laube“ war noch naß vom Nachfregen. es auch Männer aus Gestirn: Seraphinen.
Hoboken kauerte fröstelnd und starrle hinaus.
„Mann aus Erde
wiederholten sich. Vor den Osterinseln ver-
kündete Auferstehung Kindheit: Männer aus
Erde in stumpfer Plumpheit jene aus Fels ge-
hauenen Gestalten frühester Kunst, Vielleict denfalls „aus Erde".
erste Modelle jenes Schöpfers, dem später
aus dem gleichen Material der Mensch ge-
lang.
schied zwischen jenen irdenen Modellen und darin waren, wiederum melancholisch erschie-
diesem lebenden Menschen aus Erde? Hatte
der Schöpfer später nicht auch ihn vergessen
wie jene und hilflos und unvollkommen zu-
rückgelassen, um höhere unirdene Wesen- der da gegenüber der Schöpfer
heiten schaffen zu können, vollkommenere?
Als das erste nebelig-feuchte Zwitschern die Münsterglocke. Aber er hieß nur Sto-
einer Schwalbe aufwachte, begann Hoboken handl und war ein Geschöpf.
sich zu waschen und anzukleiden, mechanisch,
denn seit Monaten befand er sich mehr noch nicht weit vom früheren Moulin rouge, ein
als je zuvor, in einer Art Schlafzusłand, aus Haus, in dem acht- bis vierzehnjährige Mäd-
dem er nur hie und da Blicke in die Umwelt chen an die Meistbietenden der großen Wol-
zu fun vermochte, Solch ein Sichseinerwie-
derbewußtwerden geschah ihm diesen Mor- Stöhnen der Neuvergewaltigten und die Lust
gen in einem Gastzimmer mit tabakgebräun- derer, die schon die ersien Nächte hinter sich
ten Wänden. Er mochte schon einige Male hatten, durch die weindunstige Atmosphäre.
hier gewesen sein, denn es kam ihm alles Freunde greifen Stohandl, den Studenten, an
bekannt vor. Aber es gibt ja auch Träume den Armen und ziehen ihn mit. Er findet eine,
solcher Art,
Wie alt mag meine Mutter jetzł sein? fiel „retten“, wie das so schön heißt. Die Ro-
es plötzlich in sein Gedächtnis, ob sie noch in montik hat für alles schöne Worte. Es gelingt
dies Frösteln, feuchter, nordischer Nebel.
Das Schlürfen einer Magd oder eines Kell-
mit ihnen gewesen. So verfiel er wieder auf
das Frühere: „Und Gott nannte ihn Adam,
das heißt Mann aus Erde . ..
Sicher gibt
Man müßle solche kennen lernen.
in dieser Nebelwelt können die sicher nicht
existieren. Nur Menschen und Gespenster
gibt's da; letztere können auch Menschen
sein, oder Doppelgänger von Menschen, je-
-, aber
" Seine Gedanken
Nach einiger Zeit merkte Hoboken, daß ihm
am Tisch jemand gegenüber saß. Der Kopf
hafte elwas Brutales, während die Augen, die
Und war denn ein so großer Unter-
nen. . . . Vielleicht ist bei manchen Menschen
das Brutale und das Sentimentale nur Positiv
und Negativ ihres Wesens. Vielleicht war
„Schöpfer
Himmels und der Erde...". Draußen bimmelte
Es gab in Paris beim Cabarett Andromède,
lust verpachtet wurden. Immer vibrierte das
die rothaarig ist, und weiß sofort, er wird sie
